Lose Enden

oder: die Muli-tasking Lüge

Nachdem der Auszeit-Effekt so langsam aber sicher verpufft, muss ich mir die Frage stellen was mir in meinem Job die meiste Energie raubt. Ist es die Klassenleitung in 5 oder sind es die pubertierenden 8er? Oder doch die Oberstufe, die auf das zentrale Abitur vorbereitet werden will? Etwa die Elterngespräche, Referendarsbetreuung oder Konferenznachmittage? Es ist das Gesamtpaket an losen Enden, die danach schreien erledigt zu werden. Nicht nur im Lehrerberuf muss man damit leben lernen, manches nur halb fertig zu machen.

Zu viele Aufgaben in zu knapper Zeit können für den einen den nötigen Druck erzeugen, um effektiver zu arbeiten. Andere (und dazu zähle ich mich) leiden darunter, ihre Aufgaben nicht 100% erledigen zu können. Wenn ich das System, das mir diese Vielzahl an mannigfaltigen Aufgaben vorschreibt, nicht ändern kann, dann muss ich meine Haltung dazu überdenken.

Lange Zeit habe ich mich damit gebrüstet zu jenen Frauen mit angeborenem Multi-tasking-Sinn zu gehören, die ihren Kindern Pausenbrote schmieren können während sie im Geiste den bevorstehenden Arbeitstag durchgehen und auf einem Ohr die Verkehrsnachrichten verfolgen, um auf dem Weg zur Arbeit mögliche Staus zu vermeiden. Doch einer Studie  zufolge gibt es Multi-tasking gar nicht bzw. wir Menschen sind einfach nicht dafür gemacht (Quelle: Yoga aktuell). Laut dieser Studie ist Multi-tasking gesundheitsschädlich, denn widmen wir uns zu vielen Aufgaben gleichzeitig, dann müssen wir unsere Aufmerksamkeit unweigerlich teilen und können nicht achtsam sein.

Wie kann ich dieses Dilemma der losen Enden lösen?

  • Zunächst muss ich mich wohl oder übel mit dem Gedanken anfreunden, dass ich nicht alles minutiös im Vorfeld planen kann. Oft ist es besser, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Manche Planung wird dann durch äußere Einflüsse von selbst hinfällig. Da spare ich mir doch lieber das Kopfzerbrechen und vertraue darauf, dass andere auch mitdenken. Ich stelle mir dann die Fragen ‚Muss ich mich darum kümmern?‘ und ‚Was könnte im schlimmsten Fall passieren wenn ich jetzt nicht handle?‘. Das nimmt schon enorm viel Druck und ich kann loslassen anstatt meinen Perfektionismus zu füttern.
  • Viele Aufgaben (des Lehrerberufs) kann ich jedoch nicht dem Zufall überlassen. Ein Schuljahr bedarf einer wohl überlegten Planung und es hat sich für mich bisher immer ausgezahlt, Stoffverteilungspläne zu erstellen, die mir verdeutlichen, welche Aufgaben (Klassen) in welchen Zeiträumen zu priorisieren sind, beispielsweise vor Klausuren. Dennoch gilt auch vor allem hier der Grundsatz Ressourcen schonend zu planen. Früher legte ich grundsätzlich alle Klassenarbeitstermine vor Ferienbeginn und verbrachte dann einen Großteil meiner unterrichtsfreien Zeit mit Korrekturen. Kaum verwunderlich, dass der Erholungseffekt der Ferien wenig spürbar war. Jetzt liegen die Klassenarbeiten aller Klassen gut über das Schuljahr verteilt und dann dauert die Korrektur eben etwas länger – die Schüler haben damit in der Regel weniger Probleme als ich. Und in der Grobplanung berücksichtige ich natürlich auch, mir in Hochdruckphasen nicht noch zusätzliche Termine und Aufgaben aufzubürden.
  • Abgesehen von meinen unausweichlichen Pflichten gibt es noch eine Vielzahl an kleinen, losen Enden, die wunderbar delegiert werden können. Warum sollte nicht die Schülerin, die mich auf einen kaputten Fenstergriff im Klassenzimmer aufmerksam macht, selbst zum Hausmeister gehen, um diesen Defekt zu melden? Damit schlage ich sogar zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich entlaste mich und übertrage Verantwortung an Schüler. Auch im Umgang mit Kollegen gebe ich einerseits mehr ab und versuche zum anderen durch mehr Teamarbeit Synergieeffekte zu erzielen. Wenn mich jemand zwischen Tür und Angel um einen Gefallen bittet, dann verlange ich im Gegenzug eine Erinnerungsmail. Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden und ich bin dazu übergegangen viel häufiger um Rat zu fragen und mir Tipps einzuholen anstatt mich als Einzelkämpferin durchzuboxen.

Letzten Endes muss ich mit meinen Kräften haushalten und mir Zeit für mich selbst nehmen. Auf einer Fortbildung zum Thema Gesundheitsmanagement sagte der Referent neulich: „Ich trage mir jeden Tag eine Stunde Bernd-Zeit in den Kalender ein. Demnächst werde ich auf zwei Stunden erhöhen, denn das bin ich mir wert.“

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